Glossar

Musikspielstätten, Musikclubs, Diskotheken, Festivals

Die folgenden Definitionen orientieren sich stark an denen der LiveKomm, sind jedoch immer in Relation zu Standort, Standortgröße und kulturellem Kontext der Kulturschaffenden, die wir vertreten, zu verstehen und damit je nach individuellem Kontext flexibel auslegbar zu betrachten.

Wir verstehen analog zur LiveKomm unter Musikspielstätten sowie Musikclubs Orte musikalischer Prägung, die mindestens 24 Veranstaltungen pro Jahr nach dem U-K-Tarif (Live-Konzerte) abrechnen. Die Besucherkapazität beträgt maximal 2.000 Personen. Treten in der Spielstätte überwiegend DJs auf, so muss die Mehrzahl der Veranstaltungen durch „künstlerische DJs“ (DJs, die z.B. Musik produzieren und/oder Labels betreiben) bespielt werden, sodass es sich um sog. Live-DJ-Ereignisse handelt.

Neben den oben beschrieben „Musikclubs“ zählt auch der Großteil der kleinen und mittelgroßen Festivals sowie Umsonst & DraußenFestivals jeder Größe aufgrund der vielen gleichen zugrundeliegenden Thematiken als Musikspielstätte. Um Festivals von Stadtfesten u.ä. abgrenzen zu können, sollen mindestens 51 % der gebuchten Künstler*innen mit eigenen Songs oder als künstlerische DJs auftreten.

Diskotheken (Discos) sind von Musikclubs bzw. Musikspielstätten abzugrenzen, denn letztere verstehen sich meist als Programmspielstätte nach heutigem Kulturbegriff. Bei Diskotheken steht überwiegend der Partycharakter oder ein Motto sowie das Getränkeangebot im Vordergrund. Zur Unterhaltung der Publikums wird regelmäßig Mainstream-Musik gespielt, wohingegen DJs in Musikclubs im Rahmen eines kuratierten Programms und unter Anwendung künstlerischer Manipulation der Musikstücke auftreten.

Livemusik und Live-DJ-Ereignisse

Livemusik/Live-Konzert

Wie erläutert, zeichnen sich Musikclubs unter anderem durch Veranstaltungen nach dem U-K-Tarif (Live-Konzerte) aus. Unsere Definition von „Livemusik“ stützt sich demnach auf Live-Konzerte derartiger Natur.

Auch verstehen wir Livemusik in Anlehnung an die Definition von Konzerten i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG, nach welchem Konzerte Aufführungen von Musikstücken sind, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Als „Instrument“ gelten dabei auch technische Einrichtungen, wie Plattenteller, Mischpulte und CD-Player, wenn sie nicht nur zum bloßen Abspielen, sondern zur Darbietung der Musik genutzt werden. Diese Anwendung auf Clubs und Live-DJ-Ereignisse lässt sich am „Mayday-Urteil“ vom 18.08.2005 und am „Berghain-Urteil“ vom 23.07.2020 vom Bundesfinanzhof ablesen. Mehr dazu unter Def. Live-DJ-Ereignisse.

Live-DJ-Ereignisse

Unter Live-DJ-Ereignissen verstehen wir Auftritte von Live-DJs, bei denen unter anderem die DJs „mit ihrem Musikstil im Mittelpunkt stehen“, bei denen „Musik durch Verfremden und Mischen bestehender Musik entsteht, und bei der Plattenteller, Mischpulte und CD-Player ‚Instrumente‘ sein können, wenn sie (wie konventionelle Musikinstrumente) zum Vortrag eines Musikstückes und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers genutzt werden.“ Auch verstehen wir Live-DJ-Ereignisse insofern, als dass sie ebenfalls als Konzerte (i.S.d. §12 Abs.2 Nr. 7a UStG) einzustufen sind

Dass Live-DJ-Ereignisse unter bestimmten Bedingungen so einzustufen sind, wurde zum einen im sogenannten „Mayday-Urteil“ vom 18.08.2005 vom Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. Zum anderen im „Berghain-Urteil“ vom 23.07.2020 (V R 17/17, veröffentlicht am Nov. 2020). Hier hat der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 23.07.2020 entschieden, dass für Clubnächte der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt. Sie sind steuerrechtlich so zu behandeln wie Konzerte.

Weiterführende Informationen und Erläuterungen zu Musikspielstätten, Musikclubs, Diskotheken, Festivals

Kultur

Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Verwendungsweisen des Wortes Kultur. Wir richten uns nach dem totalitätsorientierten Kulturbegriff, siehe bpb.

Der totalitätsorientierte Kulturbegriff zeichnet sich im Gegensatz zum normativen unter anderem dadurch aus, dass er von ästhetischen Wertungen und Ausgrenzungen absieht. Außerdem ist er durch eine Anerkennung der Verschiedenartigkeit und Gleichwertigkeit von Kulturen und kulturellen Ausdrucksformen geprägt (bpb).

Hochkultur

Der Begriff bezieht sich heute zumeist auf Musik (Bsp.: Einteilung E- und U-Musik), bildende Künste, Literatur und darstellende Künste wie Tanz und Theater. Hierbei werden bestimmte ästhetische Phänomene, Objekte und Praktiken ausgezeichnet, die in einer Gesellschaft hochgeschätzt, durch Traditionsbildung bewahrt (bpb) und somit als Hochkultur betrachtet werden. Kulturformen müssen demnach bestimmten Vorstellungen entsprechen, um als Hochkultur gewertet zu werden. Dadurch grenzt sich Hochkultur von anderen Kulturformen wie Subkultur und Popkultur ab.

Wozu führt das?

Diese Abgrenzung wird wertend, betrachtet man Kulturformen normativ und nicht totalitätsorientiert: Denn eine normative Definition des Begriffs grenzt Kultur auf eine überhöhte Hochkultur (d.h. einen Kanon ästhetischer Werke und großer Künstler) ein, während die Alltags-, Massen- und Populärkulturen [und Subkulturen] ausgegrenzt werden. (bpb)
Diese wertende Abgrenzung führt zu folgender Problematik: Mit den Kulturformen wird unterschiedlich umgegangen und verfahren, z.B. bzgl. der Eignung zur Förderung, bezüglich der Zuständigkeit und Förderung vom Kulturamt, in der Kommunikation mit dem Ordnungsamt, in der Einordnung in der BauNVO, etc. – zulasten der Pop- und Subkultur. Das führt in der Praxis und in der Realität von Städten und ihren Bewohner*innen u.a. zur Verdrängung von Clubs und Kulturstätten und Clubsterben. Aus diesem Grund stehen wir für Gleichwertigkeit, s. WPF 1.1.

Warum Gleichwertigkeit?

Laut bpb herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Kulturen von Menschen […] gestaltend hervorgebracht und dass sie nicht auf die hohe“ Elitenkultur eingeschränkt werden dürfen. Daraus folgt die Forderung nach einer Ausweitung des Kulturbegriffs. Die Forderung basiert zum einen auf der Kritik gegenüber der wertenden Abgrenzung zwischen Hoch– und Populärkultur. Zum anderen basiert sie darauf, dass es als notwendig erachtet wird, die heutige Medienkultur einzubeziehen. (bpb, Abschnitt Akzeptanz der Vielfalt)

Laut dem Land Baden-Württemberg besteht folgendes Kulturverständnis: Das Land Baden-Württemberg versteht die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit im Sinne eines offenen, weiten Kunstbegriffs, der nicht formal auf bestimmte Gattungen und Werktypen festgelegt ist, sondern gerade auch die innovativen Strömungen der Kunst erfasst. Es gibt auch sehr weitreichende musikwissenschaftliche Analysen darüber, dass Popmusik den gleichen Mustern und Ansprüchen wie Klassische Musik folgt, als Beispiel sei hier das Beatles-Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band genannt.

Außerdem sind die Grenzen zwischen Hoch,- Sub- und Popkultur in der Realität ohnehin schon fließend; bzw. das Zusammenführen wird bereits als Gestaltungselement selbst zu Kunst und Kultur. Hierzu lassen sich Beispiele nennen:

  • das Projekt X – POÈME SYMPHONIQUE des Hamburger Produzenten David August und dem Berliner Symphonie-Orchester
  • Martin Kohlstedt und der Gewandhauschor Leipzig: Klangwelten zwischen Klassik und Pop
  • Masse: Das Berliner Staatsballett im Techno-Club Berghain
  • die gemeinsame EP des House-Musik-Duos Super Flu und den Dortmunder Philharmonikern
  • die Echo-prämierte Produktion Flying Bach der Breakdance-Crew Flying Steps und des Opernregisseurs Christoph Hagel zur Musik von Johann Sebastian Bach
  • die Arbeiten des Künstlers Banksy, die subkulturell als Street Art und parallel dazu in Museen ihren Platz haben
  • die Sportart Skaten: Olympische Subkultur

Diese Beispiele belegen den fließenden Übergang, weswegen unserer Meinung nach, wenn überhaupt, dann nicht wertend zwischen Hoch-, Sub- und Popkultur unterschieden werden sollte.

Subkultur

Subkultur bezeichnet die sozialen und kulturellen Eigenarten bestimmter gesellschaftlicher Teilgruppen. (bpb)

Subkulturen weichen auf bestimmten Ebenen von Hauptkulturen ab, sind aber nicht zwingend in Gänze gegen diese. Ebenso wenig versuchen ihre Akteure komplett aus der Kultur auszusteigen (Uni Potsdam). Die Vorsilbe Sub signalisiert hier das Entstehen jenseits des gutbürgerlichen Wohnzimmers oder der allgemeingesellschaftlichen Normen und Werte. Viel eher darunter, in den Kellern und Clubs der noch nicht gentrifizierten City oder auch im virtuellen Raum. Subkulturen unterliegen ständigen Verwandlungen, Anpassungen und Abgrenzungen.

Eine Subkultur und ihre weitere Entwicklung werden in hohem Maße durch die Konsument*innen mitgestaltet, wodurch sie kulturelles Engagement fördert. Zusätzlich ermöglichen Subkulturen den Zugang zu Kultur auch für Teilgruppen, die in der Hoch- und Popkultur nicht berücksichtigt werden, und fördern damit auch kulturelle Teilhabe.

Dadurch, dass Subkultur Kultur auch in Teilgruppen bringt, ergibt sich ein gesamtgesellschaftlicher Vorteil: Jeder Mensch in einer Gesellschaft findet einen Ort, dem er oder sie sich zugehörig fühlen und somit auch selbst als Teil der Gesellschaft sehen kann.

Bezogen auf die fließenden Grenzen zwischen Hoch- und Subkultur sorgt letztere auch für das Zusammentreffen von Tradition und Moderne. Die Ausbildung von neuen und eventuell die Auflösung alter Subkulturen ist charakteristisch für moderne pluralistische Gesellschaften.

Subkultur kann nicht von vornherein Popkultur sein, kann aber über die Zeit zu Popkultur werden.

Beispiele für Subkulturen in der Geschichte sind: House-Musik, Hip Hop-Kultur, Skating und Surfen als Sport, RocknRoll, Punk Rock, Hacker*innen…

Popkultur

Popkultur lässt sich über die Quantität der Produktion und des Konsums einer bestimmten Kultur definieren. Es muss einen Massenmarkt, Massenmedien und eine Massenzielgruppe geben. Stilistisch kann prinzipiell alles Popkultur sein, es geht rein um die Menge. (Uni Münster)

Popkultur liefert daher den aktuellen „Mainstream“ und grenzt sich dadurch von Subkultur ab.

„Feiern“ und „Feiern“

Feiern und Feste und das Feiern an sich (im Sinne von Teilnehmen und/oder Mitgestalten) sollen gemeinschaftsstiftend und gemeinschaftserhaltend wirken. Bestimmte Rituale sollen demnach den sozialen Zusammenhalt der Teilnehmenden festigen. Darüber hinaus heben sich Feiern und Feste durch besondere Bräuche, die auch hohe Emotionalität (im Falle von erfreulichen Festanlässen Freude und Begeisterung) bis hin zur Ekstase erlauben können, aus dem Alltag heraus. Ihnen kann also ein wildes, anarchisches oder destruktives Moment zugrunde liegen, etwa im Karneval. (Wikipedia)
In dieser Hinsicht ist das Feiern in einem Club, einer Musikspielstätte oder auf einem Festival beispielsweise das gemeinschaftsstiftende Ritual von Anhänger*innen der Club-/Livemusik-Kultur.

Feiern im ursprünglichen Sinne hat auch die Bedeutung von „nicht arbeiten. Feiern stellt also auch einen Ausgleich zur Arbeit dar. (DWDS).

Weiterführende Informationen und Erläuterungen

Musikspielstätten, Musikclubs, Discos, Festivals

Warum betrachten wir Clubs und Musikspielstätten als Orte kultureller Nutzung und nicht ausschließlich als Vergnügungsstätten? Wir betrachten es aus drei Blickwinkeln so:

Anmerkung: Nicht jeder Punkt gilt gleichermaßen für jede Spielstätte, die wir vertreten. Jedoch: Jede Spielstätte, die wir vertreten, beinhaltet mindestens einige der genannten Punkte.

Künstlerischer/programmatischer Blickwinkel

Clubs und Musikspielstätten weisen weitgehend ein kuratiertes Programm auf. Das bedeutet:

  • Programmgestaltung im Vordergrund, vor dem bloßen Bedienen der allgemeinen Nachfrage
  • Aufeinander abgestimmte Bookings
  • Förderung bestimmter Stilrichtungen innerhalb von Genres; Vorantreiben neuer Genres und Einführen existierender Genres an neue Orte
  • Förderung lokaler Musikszene
    • Bestehende Künstler*innen
    • Aufstrebende Newcomer-Acts: Bühne bieten für lokalen Musiknachwuchs
  • Künstlerischer Anspruch
    • Künstler*innen mit eigenen Produktionen/Werken und/oder künstlerischem Profil im Mittelpunkt der Veranstaltungen
    • Angemessene Vergütung von Künstler*innen sowie Übernahme von GEMA-Gebühren und Beiträgen zur Künstlersozialkasse
    • Neuer Musik und anderen künstlerischen Darbietungen/Kunstformen Raum geben
      • Bildungsanspruch
      • mit der Zeit gehen, auf aktuelle Entwicklungen eingehen
      • Stadt kann Zentrum/Wiege einer künstlerischen Richtung werden
  • Gesamtheitliche Ästhetik der Veranstaltungen: Audio/Licht/Visuals/Deko/Werbemedien/ggf. Storytelling

Gesellschaftlicher Blickwinkel/Stadtentwicklung

  • Clubs und Musikspielstätten dienen auch als Orte, an denen Kriterien wie Herkunft, sexuelle Orientierung und sonstige Stigmata weniger eine Rolle spielen als sonst wo. Es entstehen Safe Spaces für alle Menschen einer Gesellschaft, insbesondere für marginalisierte Gruppen (z.B. LSBTIQ+-Menschen).
  • Subkultur ist immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklung, da jeder Mensch einen Ort findet, dem er oder sie sich zugehörig fühlen und dementsprechend als Teil der Gesellschaft sehen kann.
    • Bspw. House-Musik oder Hip Hop. Subkultur bietet Orte für jeden, daher gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang.
    • Fördert Diversität. Fördert Zugehörigkeitsgefühl zu irgendetwas und daher Mitwirkungsbereitschaft an der Gesellschaft.
  • „Feiern hat gesellschaftliche Wichtigkeit (siehe dort). Clubs und Musikspielstätten bieten einen Ort, der das ohnehin existierende Bedürfnis nach Feiern befriedigt und es in kontrollierter und sicherer Umgebung ermöglicht.
  • Clubs und Musikspielstätten können Kulturbegeisterten und -schaffenden als Plattform oder Forum für Austausch und Vernetzung dienen
  • Gedanke: wie würde eine Stadt sein und aussehen ohne Clubs und Musikspielstätten? Was wäre sozial und gesellschaftlich die Konsequenz?
  • Eine lebendige Club- und Nachtkultur fördert die Attraktivität einer Stadt als Wohnort. Dies fördert den Zuzug von vor allem jungen Menschen.
  • Zudem erhöht sie die Reputation einer Stadt als kultureller Hotspot.
  • Belebung von Stadtteilen / Innenstädten in den späten Stunden.
    Clubs und die ihnen folgenden Kreativschaffenden sind First Mover in brachliegende Stadtteile und werten sie durch ihre Aktivitäten für eine gesamtgesellschaftliche Nutzung auf.

Wirtschaftlicher Blickwinkel

Die im Blickwinkel der Stadtentwicklung genannten Konsequenzen lebendiger Club- und Nachtkultur wirken sich auch wirtschaftlich positiv aus: